29 Dezember 2005

Loyalität

Loyalität ist eine Eigenschaft, welche aus den heutigen Verhaltensmustern verschwunden ist.
Der schweizerische Spezialfall beruhte weitgehend auf Loyalitäten. Loyalität der Arbeitnehmer zur eigenen Firma, die Firma selbstverständlich gegenüber den Mitarbeitern. Loyalität im gegenseitigen Verhalten: Man hält Versprechen auch, wenn diese nicht verbrieft sind. Loyalität in der ehelichen Partnerschaft: Man steht zueinander in Gut und Böse. Loyalität im Geschäftsleben: Man hält, was man verspricht.

Unser Zeitgeist steht auf Freiheit. Freiheit in Bezug auf den sozialen Druck, das Umfeld, welches früher argwöhnisch jegliches abweichende Verhalten registrierte und kritisierte. Heute leben wir weitgehend in der Anonymität, welche uns machen lässt, was immer uns gefällt.
In der Wirtschaft haben die Marketingfachleute das Sagen, man muss wachsen um jeden Preis und um jedes Versprechen. Meistens versprechen diese eben mehr, als man halten kann. Längst werden solche Versprechen nicht mehr als Verpflichtung empfunden.
Die Firmen werden nicht mehr von Patrons geführt, sondern von Managern, welche vor allem an ihre Stelle gelangte, weil sie gut reden können und sich aus jeder Situation herauszureden verstehen. Verpflichtet fühlen sie sich allenfalls noch dem Shareholder, dem anonymen Aktionär, dem man in immer kürzeren Abständen Bilanzen präsentieren muss, auf denen dann wieder das Potenzial der Firma bewertet wird. Es ist deshalb kaum verwunderlich, dass diese Rechenschaftsberichte so verfasst werden und sich die Firmenpolitik danach ausrichtet, kurzfristig gute Resultate zu präsentieren. Loyal wäre es, langfristig an das Überleben der Firma zu denken.
So werden dann immer wieder personalpolitische Massnahmen getroffen, welche kurzfristig die Kosten senken helfen, ohne dass dabei daran gedacht wird, dass das Kapital einer Firma ihre Mitarbeiter sind und dass mit jeder Entlassung wertvolles Know-how verloren geht, die Firma dadurch an Substanz verliert. Diese wird jedoch durch die Bilanzen nicht erfasst und wird deshalb übersehen.

Da die Mitarbeiter nun nur noch ein Kostenfaktor im Unternehmen sind und die Personalmanager sich nicht mehr um die Kultur einer Firma bemühen, sondern vielmehr nach betriebswirtschaftlichen Kriterien das humane Kapital bewirtschaften, verhalten sich diese konsequenterweise auch wie Material, sie haben sich innerlich völlig von ihrem Arbeitgeber distanziert. Keine Loyalität mehr zum Arbeitgeber und schon gar nicht von ihm.

Dass sich dieses Verhalten direkt auf die Dienstleistungsqualität und Produktivität der Arbeitnehmer niederschlägt, ist wohl kaum verwunderlich. Selbst zu Zeiten des Ur-Kapitalismus, waren diesbezüglich die Verhältnisse um einiges besser.

Aber auch im Privatleben ist die Solidarität weitgehend verschwunden. Heute verbindet man sich, um gemeinsam Spass zu haben und nicht um gemeinsam die Bürden zu tragen, oder gemeinsam etwas zu unternehmen.
So ist es denn völlig normal und immer wieder zu sehen, dass sich Ehefrauen gerade dann verabschieden, wenn der Mann eigentlich Support nötig hätte, das heisst, wenn er Probleme hat und zum Beispiel seine Stelle verloren hat.

Eigentlich könnte man dieses Verschwinden der Loyalität ganz einfach mit dem egozentrischen, rücksichtslosen Verhalten gleichsetzten, welches man heute überall beobachten kann. Wir leben heute in einer egoistischen, narzisstischen Spassgesellschaft, wo Respekt vor dem Nächsten und Loyalität keinen Platz mehr haben.

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